Der Luzerner Blues schreibt wilde Geschichten: Hier Fünf Anekdoten.
Zum 25. Mal findet diese Woche das Lucerne Blues Festival statt. Das Festival ist mittlerweile gut etabliert und lässt Blues-Fan aus ganz Europa nach Luzern kommen. Viele bekannte Musiker, aber auch viele Geheimtipps haben an all den Ausgaben in Luzern gespielt.
In 25 Jahren Festival passieren aber auch abseits der Konzerte spannende Geschichten. Wir haben die Organisatoren gebeten, in ihren Episoden-Schatzkisten zu graben und erinnern uns nun mit ihnen an lustige Storys und auch an solche, die durchaus auch nach hinten hätten losgehen können.
Am ersten Festival gingen Wurst und Bier aus
Mit 150, vielleicht 200 Gästen rechnen die Macher des ersten Lucerne Blues Festivals. Man richtet den Rollerpalast ein, macht die Soundchecks und geht dann mit den Musikern zum Znacht. Als die Organisatoren am Abend dieses 28. Oktober 1995 wieder zurückkommen, ist vor dem Luzerner Eisfeld eine lange Schlange. Sie seien sich gar nicht bewusst gewesen, dass gleichzeitig noch ein Eishockeyspiel stattfindet, denken sich die Veranstalter bis sie merken: Die Leute wollen Blues statt Checks. Vier Mal mehr Besucher als erwartet strömen an die erste Ausgabe des Blues Festivals. Rund 800 Besucher lockt die Premiere an.
Die Halle mag das Schlucken, die Caterer dagegen kommen schnell an ihre Grenzen. Getränke und Essen gehen rasch zur Neige. Dank kurzer Lieferketten kann noch in der Nacht Nachschub geliefert werden. Auf der Bühne stehen unter anderem Mississippi Heat. Das Publikum tanzt. Das Lucerne Blues Festival startet fulminant.
Zügeln ins Casino: Der Blues verschiebt ein Weihnachtsessen
Keine wirkliche Erfolgsgeschichte wird der Rollerpalast. 1997 muss dieser seinen Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen einstellen. Die Halle, eigentlich tatsächlich eine Skateanlage, schrieb seit der Eröffnung 1994 meistens rote Zahlen. Der Konkurs der Halle traf für das Lucerne Blues Festival gleich doppelt: Erstens stand man ohne Halle da und Zweitens wurde die Halle im September geschlossen. Alle Bands für das Festival im November waren längst gebucht, Anreisen organisiert, Zimmer ebenso, zahlreiche Tickets waren schon verkauft.
Nun ist Luzern eine schöne Stadt, aber reich gesegnet mit geeigneten Lokalitäten ist sie nicht. Die passendste Option war das Casino auf der anderen Seeseite. Festivalpräsident Guido Schmidt kannte Beat Rauber, den Direktor des Casinos, gut und rief ihn einfach an. Dieser fand die Idee den Blues vom Rollerpalast näher an die Roulettetische zu holen durchaus gut. Nur: Am Festivalfreitag war das Casino schon anderweitig gebucht. Die Boa AG, Metallschlauchfirma aus Rothenburg, wollte an diesem Abend ihr Weihnachtsessen im Casino feiern. Die Einladungen waren verschickt, die Vorfreude sicher schon gross. Aber beim Blues war ja auch alles schon gebucht. Im Datumskampf zwischen Blues und Weihnachten obsiegte am Schluss der Blues. Rauber und Schmidt schafften es, den Chef der Boa AG zu überzeugen, dass man doch auch an einem anderen Tag weihnachtsfeiern könnte. So zügelte der Blues ins Casino und blieb bis heute dort.
Wie die Swissair beinahe das Festival mitgegroundet hatte
Das nächste grosse Ungemach drohte wiederum von einem konkursiten Unternehmen: Dieses Mal war es aber eine Airline – die Swissair. Nach dem Grounding des Schweizer Unternehmens im Oktober stand das Festival vor dem Problem, dass nun alle Flüge hinfällig waren. 62 Musiker aus Übersee sollten ans Festival 2001 kommen. 1,5 Monate dauerte es noch bis zum Festival. Im damals noch trägeren Flugmarkt eine grosse Herausforderung. Eine schlaflose Nacht später hatte ein OK-Mitglied den Kontakt zu den Verantwortlichen bei American Airlines hergestellt, eilig wurde eine Liste aller verfallenen Flüge zusammengestellt.
Noch in derselben Woche hatten wieder alle Musiker ihre Flüge nach Europa. Die Änderungen bei Abflug und Landung waren nur marginal. Und als besonderer Clou waren die neuen Flüge sogar noch rund 10000 Franken günstiger, als jene, die damals bei der Swissair gebucht gewesen wäre. Ein Glück für das Festival war es zudem, dass sie damals die Flüge nicht schon bei der Buchung zahlen mussten: Ansonsten hätte das Swissair-Debakel einen Verlust von rund 80000 Franken beschert – das wäre für das Festival stark existenzgefährdend gewesen und der Lucerne Blues Festival wäre ebenfalls gegroundet.
Wenn die Dialyse-Schwestern mit dem Soul-Sänger tanzen
Beinahe Endstation war Luzern für Lou Pride. Der amerikanische Soulsänger sollte 2004 am Blues Festival auftreten, erlitt aber noch in der Nacht vor seinem Auftritt einen Herzinfarkt. Statt auf die Bühne kam er auf die Intensiv-Station im Luzerner Kantonsspital. Der damalige Festivalpräsident Guido Schmidt besuchte Pride täglich, dieser hatte sogar die Ärzte von der Schweigepflicht entbunden, so dass Schmidt ständig über den Gesundheitszustand auf dem Laufenden gehalten werden konnte. Es kam gut. Schmidt versprach Pride, dass dieser am Festival spielen kann, wenn es seine Gesundheit erlaube. Die Anzahlung für seinen Auftritt musste Pride nicht zurückzahlen.
2010 kam dann Pride tatsächlich wieder nach Luzern. Sein Gesundheitszustand war zwar stabiler, aber nicht im störungsfreien Bereichen. Jeden zweiten Tag musste er für mehrere Stunden an die Dialyse. Dies hatten die Festivalmacher im Vorfeld eng geplant. Immer wenn er nach der Dialyse erwachte, gab er der anwesenden Krankenschwester einen Kuss - aus purer Dankbarkeit. Er lud auch sämtlich Krankenschwestern des Dialyse-Instituts an sein Konzert im Casino eingeladen. Sie kamen und tanzten mit ihm. Im Booklet seiner CD dankt er explizit den Ärzten und Krankenschwestern am Luzerner Kantonsspital, die ihm 2004 das Leben gerettet hätten. Lou Pride starb 2012.
Die Blueser finden den Weg nach Luzern auch ohne Hilfe
Ein Musiker, den man eigentlich nicht übersehen kann, ist Big George Jackson. Jackson ist tatsächlich «big» und weist eine Körpergrösse von über zwei Metern auf. Und ein begnadeter Musiker ist er auch. Darum buchte ihn das Festival für die Ausgabe 1999. Nur: Das extra als Abholdienst nach Kloten gefahrene ZK-Mitglied fand keinen Big George am Flughafen. Er sei wohl nicht angekommen, mutmasste er und fuhr nach langer Zeit wieder zurück nach Luzern. Frustriert erzählt er seinen Kollegen von der Nicht-Ankunft und als man schliesslich etwas resigniert zu einem Glas Alkohol greifen wollte, stand an der Flora-Bar bereits – auch da eigentlich unübersehbar – Big George Jackson. Ebenfalls mit einem Drink in der Hand. Er hatte den Weg nach Luzern selber gefunden.
Quelle: https://www.luzernerzeitung.ch/kultur/der-blues-schreibt-viele-geschichten-ld.1167895