Lucerne Blues Festival: Lange Nächte mit heissen Solisten
Über 10 000 Personen haben das 22. Blues Festival besucht: Neben dem Blues prägten auch andere Spielarten der amerikanischen Roots-Musik das finale Wochenende.
Wenn sich der durchschnittliche Ausgangsmensch weit nach Mitternacht langsam anschickt, den Heimweg anzutreten, geht es am Lucerne Blues Festival jeweils erst richtig los: In der Nacht auf gestern war es die Muddy Waters 101 Tribute Band, die um 1.30 Uhr als letzte Band des Festivals im Casineum nochmals und mit zahlreichen Gästen deutlich machte, dass der Blues auf seiner never ending Tour noch lange nicht zu Hause angekommen ist.
Bereits zuvor hatten Eric Slim Zahl & The South West Swingers mit ihrem Verschnitt aus bluesigen Roots, Rockabilly und ein paar deftigen Rock-Nummern die Leute zum Tanzen gebracht. Die norwegische Band wurde dieses Jahr als beste Bluesband Europas ausgezeichnet. Der Bandleader mit Bart und Hosenträger verstieg sich in einige deftige Soli, und seine Kumpels hielten wacker mit. Währschaften Blues mit Rock-Anleihen hatten einen Abend zuvor schon Nett/Bislin & Burrobeat dargebracht. Es war solide Kost der einzigen Schweizer Band an diesem Festival.
Temperamentvolle Bonita
Gleich für mehrere Auftritte wurden B.B. and The Blues Shacks gebucht. Dass die deutsche Band, die seit 25 Jahren unterwegs ist, ihre Bluestüchtigkeit nicht mehr beweisen muss, wurde am Samstag klar: Die Band erwies sich als äusserst routiniert und vielseitig und wurde zur perfekten Einheizer-Band. Mit der Sängerin Bonita haben die Blues Shacks eine Trumpfkarte gezogen, die ihnen mit Sicherheit noch mehr Aufmerksamkeit bringen wird.
Die in Südafrika geborene Rhythm-and-Blues-Sängerin gefiel mit ihrer Stimme und erwies sich mit ihrer quicklebendigen Präsenz und lockeren Art auch als ausgezeichnete Performerin. Zusätzlich verstärkt mit einer kleinen Bläser-Section und den solistischen Einlagen der Brüder Andreas (Gitarre) und Michael Arlt (Stimme, Bluesharp) sorgten die Blues Shacks für einen fetten Sound mit viel Rhythm and Blues.
Mit Otis Grand & The American All Start Big Band folgte umgehend die nächste Fuhr, besetzt mit vier Bläsern, dem Sänger Brian Templeton und dem Keyboarder Bruce Katz. Otis Grand trug seine Gibson eng am Körper und zauberte mit viel Feeling und Technik seine B.B. King Licks aus den Saiten. Später bahnte er sich spielend seinen Weg durch das Publikum, wo er kurz eine junge Frau etwas paternalistisch unter seine Fittiche nahm und mit ihr auf der Gitarre herumfingerte.
Smarter Kerl mit scharfer Gitarre
Überhaupt herrschte kein Mangel an ausgezeichneten Gitarristen, die auch mal klassische Gemarkungen des Blues verliessen. Ein gutes Beispiel dafür gab der kanadische Sänger und Gitarrist JW-Jones, ein smarter Kerl, der mit der feinen Bassistin Laure Greenberg dem Publikum einen bluesigen Rock mit scharfer Gitarre um die Ohren haute. Die drei Musiker wechselten auch mal die Instrumente und verabschiedeten sich mit einem Medley, in dem JW-Jones souverän Rolling-Stones-, Hendrix- und Surf-Zitate einflocht.
Auch der grosse Chicago-Blues-Gitarrist Carl Weathersby bot Vielfalt. Seine explosiven und glasklaren Linien verwiesen immer wieder auf die alten Blues-Meister. Der Auftritt hatte die Struktur einer langen Jam, in der die verschiedensten Einflüsse ausgewalzt wurden. Das ging von einer astreinen Carlos-Santana-Hommage über soulige und funky Songs wie «My Girl» (The Temptations) bis zu Albert-King-Riffs und dem romantisierenden «Hobo»-Song aus den alten Tagen des Unterwegsseins.
Mit Country- und Old-Time-Songs von Lazy Lester machten sich Gemütlichkeit und auch eine Spur Rührseligkeit breit. Nicht fehlen durfte der Blues-Klassiker «That’s llright» von Jimmy Rodgers, der die Stimmung anheizte.
Als hochkarätiger erwies sich der Auftritt der Brüder Dave Alvin & Phil Alvin, die mit der Band The Guilty Ones aus dem Vollen schöpften. Im mitreissenden Set der beiden ehemaligen Mitglieder von The Blasters fielen auch einige lüpfige Country- und Cowboysongs nicht aus dem Rahmen. Dave Alvin erwies sich als messerscharf solierender Gitarrist, der auch mit einer sonoren Stimme und seinem American Style die Musik prägte und seinem gesundheitlich angeschlagenen, aber bravourös spielenden Bruder zur Seite stand.
Eine besondere Intensität war von Bettye Lavette zu spüren: Die Rhythm-and-Blues-Sängerin legte eine dunkle Aura in ihre Songs. Ihre emotionale Intonierung liess keinen Zweifel offen, dass sie die 55 Jahre Auf und Ab im Showbusiness geprägt haben. Mit einer eher grellen Tonlage hat sie nicht die übliche Wohlfühlstimme, aber was sie in die Interpretation der Songs hineinlegte, war von grosser Unmittelbarkeit und Ehrlichkeit. Auch wenn der Auftritt die höchsten Erwartungen nicht erfüllt haben mag, war er dennoch berührend.
«Es herrschte von Anfang an bis zum Schluss eine tolle Stimmung. Das zeigt mir, dass die breite Stilvielfalt dieser Ausgabe vom Publikum geschätzt wird», meinte Martin «Kari» Bründler, Präsident des Festivals. Er habe zahlreiche Rückmeldungen erhalten. «Da gab es einige, die meinten, dass es noch nie so gut gewesen sei», sagte Bründler und grinste: «Aber das sagen sie jedes Jahr.» Wohlauf denn: Das nächste Lucerne Blues Festival findet vom 11. bis 19. November statt.
Pirmin Bossart